Vierter Akt
Die Straße vor dem Hause
des Bürgermeisters. Dem gegenüber das Haus seines Bruders, von mehrern
Stockwerken; in der Dachstube Sperlings Wohnung. Vor diesem letztern Hause
steht ein Laternenpfahl mit einer Laterne, die aber nicht brennt. Es ist Nacht,
doch sieht man noch Licht in beiden Häusern.[1]
Erste Szene
Olmers monologisiert über seinen ersten Tag in Krähwinkel
und bedauert, dass er zwar allen Klatsch und Tratsch der Stadt gehört, aber
keine Minute allein mit seiner Geliebten verbracht habe. Umso mehr hofft er auf
das mit Hilfe von Sperling eingefädelte Rendezvous mit Sabine.
Zweite Szene
Sabine und Olmers.
Olmers bedrängt Sabine in einem kurzen Geplänkel, mit ihm
auf die Stube zu kommen. Sabine jedoch weiß sich in guter Obhut ihrer eigenen Sittsamkeit
und durch die Nähe der dörflichen Gemeinschaft. Zum ersten Mal hat sie
Gelegenheit, ihren Geliebten mit all den Vorurteilen aus Dorf und
Verwandtschaft zu konfrontieren, die ihr natürlich nicht verborgen geblieben
sind. Vor allem das Fehlen eines Titels sei momentan noch das Haupthindernis
einer Verbindung zwischen beiden ("Herr, ohne Titel
bekommen Sie mich nicht.")
Die traute Zweisamkeit der beiden wird zunächst durch
Sperling gestört, der sich herbeilässt, ein Liebessonett auf Sabine aus seinem
Kammerfenster auf die Gasse zu singen, wo soeben der Nachtwächter passiert,
ohne darauf Rücksicht zu nehmen.
Vierte Szene
Der Nachtwächter. Die Vorigen.
Lustige
Auseinandersetzung zwischen dem verliebten Sperling und dem auf stur
gebürsteten Nachtwächter.
Fünfte Szene
Frau Staar am Fenster. Vorige.
Alle reden durcheinander, Frau Staar beschwert sich über den
Lärm auf der Gasse, Sperling über den Störenfried und der Nachtwächter zieht
sich grummelnd zurück.
Sechste Szene
Herr Staar am Fenster. Vorige.
Sperling, Frau und Herr Staar äußern sich wechselweise
abfällig über Sabine und Olmers, was diese in ihrem Versteck hören können und sich
deswegen gegenseitig zu necken anfangen, weil sie dies eher als Auszeichnung
denn als Herabwürdigung empfinden. Olmers wird wahlweise als "Avanturier aus der
Residenz", "Landstreicher", "fremde
Unverschämtheit" mit "
philosophischen Floskeln" verunglimpft, was seine Geliebte stets mit dem
Hinweis quittiert, dass er auch tatsächlich gemeint sei. Andererseits
bezeichnen ihre eigenen Verwandten Sabine als "Jungfer Naseweis",
die mit ihrer "Sittsamkeit" prahle und sich viel auf ihr
"Lärvchen" einbilde, was Olmers jedes Mal zu einem neckischen
"Das sind Sie" verleitet.
Siebente Szene
Olmers und Sabine.
Hier treffen erneut die strenge
Sittsamkeit des Mädchens und der etwas losere Charakter des Residenzbewohners
aufeinander. Olmers will Sabine zu einem Spaziergang überreden, was diese ablehnt
("…so meint der Herr nun gleich, er dürfe mit mir lustwandeln in
die weite Welt.") und ihm gleich einen resoluten Vorgeschmack auf
die zu erwartende Ehe verschafft ("Morgen rücken Sie nur
fein früh mit dem Titel heraus und befolgen meine übrigen Vorschriften
pünktlich.").
Achte Szene
Klaus, der Ratsdiener, mit einer Blendlaterne. Vorige.
Das Paar muss sich erneut verstecken; diesmal vor dem
blinden Ratsdiener Klaus, der dem Bürgermeister die schlimme Nachricht
überbringt, die bewusste Delinquentin, wie erwähnt ebenfalls als eine
Hauptperson für den kommenden Tag ausersehen, sei in der Nacht geflohen.
Bürgermeister wie Ratsdiener sind völlig entsetzt darüber, Herr Staar wegen der
Reputation seiner Gemeinde ("schon winkt der Pranger zu Ehr' und Ruhm
des Hochweisen Stadtrates "),
der Diener wegen der Verpflegung, die die
Magd aus seiner Vorratskammer hat mitgehen lassen ("Undankbares
Mensch! Neun Jahr ist sie gefüttert worden."). Nur Eines ist klar,
dass nämlich "die Sache verschwiegen traktiert werden (muss)."
Neunte Szene
Bürgermeister im brokatnen Schlafrock. Vorige.
Diese Szene steht ganz im Zeichen der
mündlichen Erzählung des Verlaufs der vergangenen Nacht im Hause des
Gemeindedieners Klaus, das als Behelfsgefängnis gedient hat, und der Flucht der
so lange eingekerkerten Magd. Der Diener verdankt die ganze Sache dem unruhigen
Schlaf seiner Frau, die durch die Fluchtgeräusche der Magd geweckt worden war.
Als Klaus nachschaute, war die Magd mitsamt einiger Lebensmittel aus der
Speisekammer verschwunden. Der Bürgermeister ist darob so erzürnt, dass er die
Magd auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen will; selbstredend in strenger
Gesetztestreue und ohne finanziellen Aufwand ("Eine
Hexe! sie muss verbrannt werden! ich mache einen Bericht an die Kammer – der
Oberförster muss herrschaftliches Holz zum Scheiterhaufen liefern."). Die Entflohene hat zur eigenen Belustigung einen Zettel
hinterlassen, auf dem sie "dem Herrn
Vizekirchenvorsteher" für ihre Befreiung"
dankt. Dieser nämlich habe sie uneigennützig im Gefängnis mit einschlägiger
Literatur, u.a. mit "Trencks Leben und Flucht aus dem Gefängnisse", versorgt. Der ganze Frust über das entgangene Pranger-Event
entlädt sich damit über dem Bruder des Bürgermeisters. "
Gott sei Dank, so halten wir uns an den", wie
sich Klaus, der Diener, auszudrücken pflegt.
Zehnte Szene
Herr Staar im Nachthabit. Vorige.
Diese komplette Szene steht im Zeichen der Vorwürfe, die der
Bürgermeister seinem Bruder macht. Wegen des Aufruhrs auf der Gasse wird auch
Sperling herbeigelockt und gesellt sich zu den Anwesenden.
Eilfte Szene
Sperling im Nachthabit. Vorige.
Allerdings glaubt Sperling, seine Angebetete Sabine gelte
als vermisst, und hat auch gleich einen als Entführer Verdächtigten, nämlich
Olmers parat. Es dauert eine Weile, bis der wahre Sachverhalt bei ihm
angekommen ist. Signifikant wird dabei die Vordergründigkeit der Beziehungen
der Kleinstädter zueinander. Auch Familienbande spielen dabei keine Rolle.
Klaus, der Nachtwächter, ist ohnehin nur an seinen "Schinken und Würsten"
interessiert; der Bürgermeister verdächtigt seinen Bruder der Beilhilfe zur
Flucht ("Der Herr Bruder hat ihr durchgeholfen."); und Sperling sieht
so gut wie alle seine Felle davonschwimmen: die Verlobung, seinen Auftritt als
Stadtpoet, das Pranger-Event. Außerdem sorgt man sich gemeinsam um den guten
Ruf der Stadt im Hinblick auf den Spott der Nachbargemeinde ("Die
Rummelsburger lachen sich todt.") und hat große Angst vor der gewiss
ungnädigen Reaktion aus der Residenzstadt ("…was wird man in der Residenz
dazu sagen? - Der Minister wird außer sich sein - Der König in Zorn gerathen.").
Gnadenlos machen sich auch die beiden Staar-Brüder gegenseitig nieder ("Der
Herr Bruder wird abgesetzt." – "Und der Herr Bruder kömmt ins
Zuchthaus."), weil sie sich die Schuld am Organisationsversagen
wechselseitig in die Schuhe schieben möchten.
In der Hitze der Wortgefechte entdeckt Klaus, der
Nachtwächter, per Zufall Sabine und Olmers im Halbdunkel einer Laterne. Olmers,
der den gesamten Streit um die entflohene Magd mitgehört hat, packt die
Gelegenheit beim Schopfe, gesteht den Anwesenden seine Liebe zu Sabine und
verleiht der Sache dadurch Nachdruck, dass er sich auf der Basis seiner
Beziehungen zur Residenzstadt als Vermittler und Fürsprecher anbietet.
Zwölfte Szene
Frau Staar im Nachthabit. Vorige
Frau Staar ist zunächst
pflichtgemäß entsetzt über das nächtliche Treiben ihrer Enkelin, lässt sich
aber von der Aussicht auf einen guten Ausgang und vor allem vom Titel des Herrn
Olmers ("Geheimer Commissionsrath ") zur Abkehr von ihrer Meinung
bewegen.
Das Schlusswort bleibt
Sperling vorbehalten, der am Ende die Bühnenillusion durchbricht und sich
verzweifelt an das Publikum wendet: " Ist denn Keiner, der sich herauf
bemühen möchte, mein Triolett zu hören?"
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